Die Zukunft des Wasserstraßensystems in der Metropolregion - Hamburg - Berlin/Brandenburg - Szczecin

Die Hamburger Sozialforschungsgesellschaft hat im Rahmen des Projektes "eBusi-Net" der Gerhard Mercator Universität Duisburg eine Untersuchung über die aktuelle Situation und die Zukunftsperspektiven der Binnenschifffahrt in der Metropolregion Hamburg – Berlin – Szczecin durchgeführt. Schwerpunkte der Untersuchung waren:

  • Bestandsaufnahme der Netzstruktur, des Ausbauzustands und der Verkehrskapazitäten der Wasserstraßen im Untersuchungsgebiet,
  • Analyse der Kapazitäten, Potenziale und Leistungsfähigkeit der Binnenhäfen im Untersuchungsgebiet,
  • Ermittlung der aktuellen und potenziellen Güteraustauschbeziehungen innerhalb der Metropolregion,
  • Perspektiven hinsichtlich integrierter logistischer Konzepte unter Einbeziehung der erforderlichen informations- und kommunikationstechnischen Anforderungen.

Die Wasserstraßen im Untersuchungsgebiet sind nicht vergleichbar mit dem Rhein, d.h. der Standard, der ein Befahren mit Großmotorschiffen der neuen Generation (110 m Länge, 11,45 m Breite, 2,80 m Abladetiefe mit 2.350 Tonnen Ladung) zulässt, ist auf den Wasserstraßen in der Region nur teilweise gegeben. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf den Wasserstraßen des Untersuchungsgebietes kein wirtschaftlicher Binnenschiffverkehr möglich ist. Auch unter der Voraussetzung, dass unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten ein weiterer umfangreicher Ausbau der Wasserstraßen kaum möglich erscheint, steht unter bestimmten Bedingungen (veränderte Güterstrukturen, Ausbau der intermodalen Verkehre, schiffbauliche und ausstattungsbezogene Innovationen) einer Weiterentwicklung der Binnenschifffahrt nichts im Wege. Die vorhandenen Kapazitäten der Binnenwasserstraßen im Untersuchungsgebiet sind lange nicht ausgelastet, Steigerungen um 50% und mehr sind möglich, auch unter den gegebenen Bedingungen.

Die Binnenhäfen in Brandenburg und Berlin sind zum Teil ganz neu gebaut oder ausgebaut. Dementsprechend ist die Kapazitätsauslastung der in die Untersuchung einbezogenen Binnenhäfen teilweise noch relativ gering.

Hinsichtlich der Infrastruktur – Anbindung an Wasser, Straße, Schiene - gibt es zwar bei einigen Häfen noch Defizite (Wasserstraßen-Verbesserungen - Verkehrsprojekt 17, Ausbau Schiffshebewerk Niederfinow, direkte Anbindung der Häfen an die Bahn - siehe Schwedt, Berliner Häfen), insgesamt aber erlaubt die vorhandene Infrastruktur ein größeres Umschlagsvolumen als das aktuell vorhandene.

Die Ausstattung der Terminals – vorhandene Kailängen, Anzahl der Liegeplätze, Lagerflächen, Stellflächen für Container, Umschlagsgeräte – ist in fast allen untersuchten Binnenhäfen auf eine Ausweitung der Umschlagsaktivitäten ausgelegt.

Das gesamte Güteraufkommen zwischen Hamburg und Brandenburg/Berlin liegt bei etwa 5,4 Mio. Tonnen im Jahr 2001. Der Anteil der Güter, der dabei per Binnenschiff transportiert wird, beträgt 4,5%. Schiene und Straße haben etwa den gleichen Anteil am Transportaufkommen, wobei zu berücksichtigen ist, dass etwa 70% des gesamten Schienenaufkommens der Eisenerztransport von Hamburg nach Eisenhüttenstadt ausmacht. Richtungsbezogen gibt es ein erhebliches Ungleichgewicht im Transportaufkommen, 70% des Gesamtaufkommen wird von Hamburg nach Berlin/Brandenburg transportiert, dementsprechend also nur etwa 30% in die umgekehrte Richtung.

Mehr als die Hälfte der mit dem Binnenschiff aus Polen importierten Warenmengen gehen in den Raum Berlin/Brandenburg und hier vor allem nach Berlin. In erster Linie handelt es sich dabei um Steinkohle, die für die Kraftwerke in Berlin bestimmt sind. Beim Export wird die dominante wirtschaftliche Verflechtung des Raums Berlin/ Brandenburg mit Polen noch deutlicher. Knapp 90% der Exportgüter aus Deutschland, die mit dem Binnenschiff nach Polen transportiert werden, kommen aus dem genannten Raum.

Potentiale für die Binnenschifffahrt in der Güter-Austauschbeziehung innerhalb der Metropolregion Hamburg – Berlin/Brandenburg – Szeczin, aber auch in anderen Verkehrsrelation, z.B. Berlin/Brandenburg – Westdeutschland, sind nicht nur in dem klassischen Binnenschiffsegment „Massengüter“ vorhanden. Betrachtet man sich den Empfang und Versandt von Gütern in der Region Berlin/Brandenburg, ist vor allem bei den Gütersegmenten „Fahrzeuge und Maschinen“, „Land- und forstwirtschaftliche. Erzeugnisse“ sowie „andere Nahrungs- und Futtermittel“ ein erhebliches Potential für die Binnenschifffahrt vorhanden. Hier ist im Detail zu prüfen, welche dieser Güter mit Binnenschiffen zu transportieren sind und welche Veränderungen/Innovationen die Binnenschifffahrt erfüllen muss, um einen wirtschaftlichen und qualitätsorientierten Transport dieser Güter zu garantieren.

Die Zukunft der Binnenschifffahrt in der Metropolregion liegt nach unserer Meinung im „multimodalen Verkehr“, d.h. die Binnenschifffahrt muss die Voraussetzungen (transporttechnische Leistungsfähigkeit, effektive Transportgeschwindigkeit, Zuverlässigkeit und Planbarkeit, Kooperationsfähigkeit, zielgerichtetes Marketing etc) erfüllen, die für eine Integration in multimodale Transportketten erforderlich sind.

Diese Voraussetzungen werden nach der Einschätzung Experten durch die Binnenschifffahrt weitestgehend erfüllt. Die Binnenschifffahrt ist in der Lage, alle in absehbarer Zukunft vorkommenden Arten und Formen von Gütern in effizienter und sicherer Weise umzuschlagen (vgl. Linde, 1999).

Das setzt allerdings eine intensive Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (Telematik) und spezifisch des Internets voraus. Mit dem Internet-Portal „Bintras“ wurden dafür die notwendigen Ausgangsvoraussetzungen geschaffen. Ein weiteres Beispiel bietet das von der Hamburger Sozialforschungsgesellschaft im Rahmen des Projektes „SHIFT“ (Schleswig-Holstein Information System for Transport) entwickelte 4. Infrastruktursystem (virtuell), mit dem eine Nutzung der physischen Infrastruktursystem (Straße, Schiene, Wasser) optimiert werden kann, indem alle Akteure des Güterverkehrs jederzeit auf einer Internet-Plattform alle für sie wesentlichen Informationen erhalten und Aufträge vergeben können.